In Europa entfallen mehr als 50 % des Budgets für die Entwicklung der Infrastruktur auf die Instandhaltung und Modernisierung bestehender Anlagen. Dies erhöht das Interesse an der Bewertung der Restlebensdauer von Anlagen. Sie gibt Industrieunternehmen aller Sektoren Auskunft über den Gesundheitszustand ihrer Anlagen und schlägt ihnen Empfehlungen zur Verlängerung der Nutzungsdauer bei gleichzeitiger Gewährleistung der Betriebssicherheit vor. Interview mit Bruno Depale, Expertenreferent für Strukturberechnungen am Cetim.
Kann ein Industrieller eine Anlage sicher und ohne Fragen zu stellen bis zum Ende ihrer vertraglich festgelegten Lebensdauer nutzen?
Bruno Depale : Ja, ein Hersteller kann dies in Übereinstimmung mit seinem Vertrag tun, aber es ist wichtig zu beachten, dass die vertraglich vereinbarte Lebensdauer eine theoretische Angabe des Herstellers ist und oft an eine bestimmte Anzahl von Zyklen gebunden ist. Die tatsächliche Lebensdauer einer Ausrüstung (Bauteil, Maschine, Infrastruktur usw.) hängt in der Realität von der Nutzung und dem Nutzungsrhythmus ab. Daher wird auch allen Industrieunternehmen empfohlen, den Gesundheitszustand einer Ausrüstung zu überprüfen, wenn sie 80 % ihrer vertraglichen Lebensdauer erreicht hat. Dasselbe gilt bei vorzeitiger Alterung, größeren Zwischenfällen, gehäuften Ausfällen, wesentlichen Nutzungsänderungen oder Veränderungen gegenüber der ursprünglichen Konzeption. Da eine Ausrüstung aus mehreren Komponenten mit unterschiedlicher Lebensdauer und heterogenen Beschädigungen besteht, ist es immer die kritischste Komponente, die den Abschaltpunkt vorgibt. Nur eine Untersuchung des verbleibenden Gesundheitszustands, die weit über eine einfache jährliche Inspektion hinausgeht, ermöglicht es den Betreibern, die künftige Nutzung ihrer Infrastruktur oder Ausrüstung auf sichere Weise zu planen.
Wie wird die Restlebensdauer bewertet?
B. D : Sobald ein Gerät benutzt wird, wird sein ursprüngliches Gesundheitskapital angeknabbert. Um die Restlebensdauer zu ermitteln, führen Experten eine Untersuchung im Laufe der Zeit durch. Die Herausforderung besteht darin, die Nutzungsgeschichte eines Geräts zu rekonstruieren, um seine zukünftige Lebensdauer vorhersagen zu können. Beispielsweise soll festgestellt werden, wie oft und wie verteilt die Lasten eines Hebezeugs angehoben wurden, welche Schäden aufgetreten sind, welche Wartungsarbeiten durchgeführt wurden usw. Wenn die Risiken zu groß werden, kann die Einstellung des Betriebs einer Maschine empfohlen werden. In den allermeisten Fällen wird die ursprüngliche Betriebsdauer jedoch durch pragmatische Kombinationen von Reparaturlösungen oder verstärkter Überwachung verlängert. So könnte man beispielsweise die Herabstufung einer Hebevorrichtung (Verringerung der Hublast) mit einer punktuellen Reparatur (Entfernung korrodierter Teile) und häufigeren, auf die kritischsten Stellen beschränkten Inspektionen kombinieren.
Welche technologischen Entwicklungen können diese Expertise stärken?
B. D : Ein Teil der Zukunft liegt in der Entwicklung innovativer Technologien, die eine bessere Vorhersage von Wartungsarbeiten und Ausfallrisiken in Echtzeit ermöglichen. Darüber hinaus bringt die Integration von drahtlosen Sensoren und die automatische Übertragung ihrer Daten im Netz (SHM) neue Anwendungen in der Kontrolle mit sich, die bisher in der Überwachung des Gesundheitszustands von Strukturen nicht möglich waren. Andererseits haben sich IIoT, Datenverarbeitung und Big Data in den letzten Jahren stark weiterentwickelt und werden immer zugänglicher. All diese Innovationen ergänzen die Untersuchung und helfen bei der Entscheidungsfindung. Sie ersetzen jedoch nicht den fachkundigen Ingenieur, der die besten Maßnahmen für einen sicheren Weiterbetrieb festlegt.